In stiller Trauer verabschieden wir uns von dem größten Turner der Vereinsgeschichte

Johann König 1932 – 2020 

24-facher Staatsmeister, Olympiateilnehmer in Rom 1960, eine WM- und fünf EM-Teilnahmen
Ehrenmitglied der TS Wolfurt, Leistungszeichen in Gold des Landes Vorarlberg und des ÖFT

Auszug aus der Vereinsgeschichte:

Die Erfolge der TS Wolfurt beschränken sich keineswegs auf die 1960-er-Jahre. Doch die ersten Wolfurter Triumphe nach dem 2. Weltkrieg liegen in diesem Jahrzehnt und sind eng mit dem 24-fachen Staatsmeister Johann König verbunden:

Eine Tageszeitung zieht Bilanz über das Turnjahr 1960: „In der Analyse des Jahres rückt die Turnerschaft Wolfurt besonders mit Spitzenturner Johann König ins Licht der Öffentlichkeit. Große sportliche Erfolge legen Zeugnis unermüdlichen Trainings des Wolfurters, der sich als schwerer Berufsarbeiter in unzähligen Nachtstunden auf die Wettkämpfe des In-und Auslandes bestens vorbereitete und die Stufen vieler Siege emporgestiegen ist.“ – Der Turnsport ist ein großes Thema in den Vorarlberger Nachrichten, der Stil entsprechend dem Zeitgeist pathetisch und Johann König Österreichs erfolgreichster Turner. Bis 1965 steht er an der Spitze des österreichischen Turnsports. Er ist somit der Nachfolger des Bregenzers Hans Sauter, des bedeutendsten Turners der 1950-erJahre. Hans Sauter ist es auch, der bei Johann König die Begeisterung für das Turnen weckte. Im Jahr 1947 wird im Wolfurter Ortsteil Oberfeld das Bezirksturnfest der VTS veranstaltet. Die bekannten Turner, darunter Hans Sauter und Friedrich Fetz, zeigen Bodenübungen auf dem Rasen, Matten gibt es keine. Die Zuseher können von der Anhöhe Oberfeldes aus die Hofsteiggemeinden überblicken, während sich die Turner an Reck und Barren messen. Besonders fasziniert von den Leistungen der Turner sind die Brüder Max und Johann König. Max trainiert bereits in der TS Wolfurt, Johann, 16 Jahre alt, ist für kurze Zeit Mitglied im Fußballclub. Der schmächtige Jugendliche hat gerade mit einer Maurerlehre begonnen – sein Lehrherr traut ihm die harte Arbeit anfangs nicht zu und lässt ihn einen Zementsack heben, um sich von der Eignung zu überzeugen. Motiviert von seinem Bruder Max, steigt Johann in den Turnsport ein. Durch das Turnen und die Maurerarbeit legt er schnell an Muskulatur zu. Johann stammt aus einer Familie mit zehn Kindern, in der Familie seiner Frau gibt es sogar 14 Kinder. Gemeinsam haben sie zehn Mädchen und zwei Buben. Als Maurerpolier bei der Firma Paluselli in Wolfurt hat er tagsüber keine Zeit zum Training. Nur drei Männer arbeiten in der „kleinen Partie“, trotzdem errichten sie große Gebäude. Oft erscheint Johann erst gegen 21 Uhr direkt nach der Arbeit im Saal des Wolfurter Vereinshauses und kommt nach Mitternacht nachhause. Auf das Aufwärmen kann er verzichten, sein Körper ist von der Arbeit aktiviert. Er hat sich so an die harte Arbeit und das Training gewöhnt, dass sich seine Gelenke entzünden, wenn er einige Tage untätig ist. Die Voraussetzungen in Wolfurt sind alles andere als professionell; im Vereinshaus ist es im Winter so kalt, dass sich die Trainingskollegen, zu denen neben Johann König auch Ernst Wüstner, Walter Höfle und später Egon Waibel zählen, in den Pausen mit Handschuhen um den Sägemehlofen versammeln. Mängel an Ausstattung und Know How machen die Turner mit Ehrgeiz wett. Die erwachsenen Männer streiten, wenn es darum geht, wer als nächster ans Gerät darf, und wenn einer nicht aufpasst, geht ihm der andere vor. Einmal pro Woche fahren die Wolfurter mit dem Fahrrad nach Dornbirn oder Bregenz, holen sich Anregungen bei Hans Sauter und versuchen so, technische Kenntnisse zu erwerben. Die meisten Elemente werden jedoch nach dem Prinzip „Versuch und Irrtum“ gelernt. Besonders Johann König geht großes Risiko ein, stürzt mehrmals vom Gerät, verletzt sich aber niemals schwer. Für seine erste Europameisterschaft im Jahr 1957 wäre er eigentlich nicht vorgesehen gewesen. Nachdem aber ein halbes Jahr vor der EM Übungsteile der Kategorie „C“ als neue Schwierigkeitsstufe eingeführt wurden, profitiert er von der internationalen Entwicklung des Turnens. Aufgrund seines risikoreichen Trainings kann er bereits einige der neuen C-Teile. In Wien gewinnt er die Ausscheidung für die EM. Sein stärkstes Gerät ist das Reck. Er beherrscht die Elemente Endo, Stalder, Durchschub mit Ellhangverbindungen und den Flugteil Yamawaki. In der Chronik des Österreichischen Turnverbandes ist vermerkt, dass „Johann König bei der EM 1965 in Antwerpen am Reck zumindest in die Nähe einer Medaille kommt.“ Den Höhepunkt seiner Karriere stellen die Olympischen Spiele 1960 in Rom dar. Nach Hans Sauter ist König der zweitbeste Östereicher und platziert sich im Mittelfeld der olympischen Mehrkämpfer. Insgesamt sammelt er 24 Staatsmeistertitel, 1963 gewinnt er alle sieben Titel.

Die TS Wolfurt würdigte die Verdienste von Johann König mit der Ehrenmitgliedschaft. Seine Leistungen sind ein wichtiges Kapitel in der Geschichte des traditionsreichen und bis heute erfolgreichen Vereins.

Quelle: Burkhard Ries
VERBANDSZEITUNG DER VORARLBERGER TURNERSCHAFT 47. JAHRGANG, NR. 1, 2012 VERLAGSPOSTAMT A-6845 HOHENEMS